Garten – Leben erleben
Eine kleine Philosophie des Gartens
geschichtliche Betrachtungen
In einer Philosophie des Gartens darf eine Betrachtung über die geschichtliche Entwicklung der Gartenkunst nicht fehlen. Hier geht es allerdings nicht um eine Darstellung der einzelnen Stilrichtungen; dafür gibt es genug gute und ausführliche Literatur. Mir liegt viel mehr die Frage am Herzen, ob bzw. inwiefern der Garten Ausdruck für das Verhältnis des Menschen zur Natur war und ist. Deshalb interessieren hier weniger die Gestaltungsdetails, sondern vielmehr ein Gesamteindruck, also gewissermaßen die grundsätzliche Einstellung des Besitzers und welche Absicht er mit der Anlage verfolgt. Es wird also keine verstandesmäßige Analyse angestrebt, sondern ein eher emotionales Erfassen der Empfindungen, die in der äußeren Form ihren Ausdruck gefunden haben. Wir wollen ergründen, welche Lebenseinstellung in der entsprechenden Stilrichtung, bzw. in den aufeinanderfolgenden Epochen zum Ausdruck kommt.
Dabei wird der Schwerpunkt auf der abendländischen Gartenkunst liegen, allein weil hier die Grundzüge als bekannt vorausgesetzt werden dürfen. Es gibt in Europa noch viele historische Gartenanlagen, die immer wieder Gegenstand von Zeitschriftenartikeln oder Fernsehberichterstattungen sind, bzw. als Kulisse in dem einen oder anderen Film genutzt werden. Viele haben sicher auch schon im Urlaub oder vor der eigenen Haustüre eine oder mehrere historische Anlagen besichtigt oder Rekonstruktionen gesehen.
Antike
Als Wiege der Gartenkultur im Abendland gilt gemeinhin das alte Ägypten der Pharaonenzeit. Es gab dort Gärten in Tempel- und Palastanlagen, aber auch an Landhäusern von hohen Beamten und Offizieren. Der Grundriss war streng geometrisch angelegt, meist axial auf das Gebäude ausgerichtet. Auch die Bäume und Sträucher waren in Reihen angeordnet. Es wurden v.a. Obstbäume verwendet, beispielsweise Feigen oder Granatapfelbäume. Lauben waren mit Wein berankt, auf den Beeten wuchsen Gemüsearten. An zentraler Stelle gab es ein Wasserbecken zur Bewässerung der Pflanzen. Als Schutz vor wilden Tieren waren die Gärten eingefriedet, was allein schon ein wichtiger Ansatzpunkt für unsere Betrachtungen ist: Die Gärten sind der Natur abgetrotzt, sie müssen gegen die Unbilden der Natur verteidigt werden. Nicht umsonst ist die altägyptische Hochkultur nicht in einem Land entstanden, in dem Milch und Honig fließt, sondern in einem Klima, das einerseits von den regelmäßigen Überschwemmungen des Nils geprägt ist und andererseits immer von Dürre bedroht war, weil die Niederschläge nicht kontinuierlich fallen, sondern in ausgeprägten Regenzeiten, wogegen die längste Zeit des Jahres als Trockenperiode kaum Niederschläge aufweist. Das antike Ägypten erstreckte sich in einem schmalen Streifen entlang des Nils, wo durch die regelmäßigen Überschwemmungen fruchtbarer Boden abgelagert wurde. Die Natur wurde als die wilde Natur angesehen, gegen die man sich zur Wehr setzen muss, um zu überleben. Aus dieser Verteidigungsposition ist das Grundkonzept folgerichtig abgeleitet. Auch die geometrischen Formen sind Ausdruck der menschlichen Ordnung. Kein Ägypter wäre wohl auf die Idee gekommen, der Natur nachempfundene Formen zu verwenden oder gar den Garten "nahturnah" zu gestalten.
Garten und Natur – seit jeher ein Gegensatz. Die wilde Natur war der Feind des Menschen. Wo sich eine Hochkultur herausbildete, stieg automatisch auch die Bevölkerungsdichte, womit das, was die Natur freiwillig an Nahrung zur Verfügung stellte, schon bald nicht mehr ausreichte. Auch die extensive Weidewirtschaft der Nomaden ist nicht geeignet, ein großes Volk zu ernähren. Bezeichnenderweise trieben die frühen Hochkulturen alle Ackerbau; die gärtnerischen Leistungen waren die Voraussetzung für ihren Aufstieg. Es gab damals noch keine Trennung zwischen Landwirtschaft und Gartenbau.
Nun wurde die Natur zwar als Feind angesehen – aber nicht als Feind, den man besiegen wollte. Das wäre mit den damaligen technischen Möglichkeiten auch gar nicht machbar gewesen: allein schon aus diesem Grunde wäre niemand auch nur im Ansatz auf diese Idee gekommen. Die Bestrebungen gingen eher in Richtung einer Veredelung der Natur. Was man zum Leben brauchte, konnte man nur aus der Natur nehmen. Sie war die Quelle allen Lebens, auch wenn sie sich in ihren Äußerungen feindlich gebärdete. Sie bot eine Fülle von Möglichkeiten, die vorhandenen Ressourcen zu vermehren. Durch intensive Züchtung konnte der Ertrag der Feldfrüchte gesteigert werden, wilde Tiere wurden gezähmt und dienten dem Menschen als Haustiere. Die wilden, unedlen Kräfte der Natur mussten durch den Menschen gebannt werden, der Kulturprozess war gewissermaßen ein Trennungsprozess, in dem die edlen Teile ausgelesen und die unedlen verworfen wurden. Günter Mader führt als Beispiel den Weinstock an, der seit etwa 3000 v. Chr. in Kultur ist: "Der Weinstock hatte die Menschen wie kein anderes Gewächs gelehrt, dass die Natur zu ihrer vollen Entfaltung der pflegenden Hand des Gärtners bedarf."
Das alles muss im Zusammenhang mit den religiösen und weltanschaulichen Vorstellungen der damaligen Zeit betrachtet werden. Es wäre völlig verkehrt, sich mit den heutigen Anschauungen ein Bild der antiken Epoche machen zu wollen. Die ägyptischen Pharaonen waren Söhne der Götter, was allein schon darauf hinweist, dass religiöses und weltliches Denken nicht voneinander getrennt waren. Die antike Weltanschauung kommt aus dem Dunkel der geheimen Mysterien, zu denen nur besonders vorbereitete und eingeweihte Personen Zutritt hatten, und wo das Recht zur Lehre ausschließlich bei den Priestern lag. Das Leben der Menschen war eingesponnen im Kampf zwischen guten und bösen Gottheiten. Dieser Kampf fand gleichermaßen in der Natur statt. Alle wilden, zerstörerischen Eigenschaften waren Ausdruck der bösen Gottheiten: das Unkraut, das die Nutzpflanzen überwucherte, Schädlinge, die die Ernte vernichteten, wilde Tiere, die die Haustiere erbeuteten – all das war kein Teil der Natur, wie das von der heutigen Ökologie als ganzheitliche Betrachtungsmethode anerkannt wird, sondern eine dunkle Macht, die das Werk der guten Götter zunichte machen will. Der Mensch sah sich selbst als Gehilfe dieser guten Mächte an. Seine Arbeit an der Natur war gleichbedeutend mit einem Dienen an dem Werk der Götter. Auch das ist heute anders. Bei allen, die heute in irgendeiner Weise die Natur nutzen, sei es die Landwirtschaft, die Industrie, der Verkehr oder die Siedlungen, steht der Eigennutz an oberster Stelle. Maximaler Ertrag bei minimalem Aufwand ohne Rücksicht auf die damit verbundenen Kollateralschäden. Höchstens die biologisch wirtschaftenden Landwirte machen da eine Ausnahme.
Der Garten im antiken Ägypten war im Grunde ein landwirtschaftliches Gut, das an die individuellen Bedürfnisse des Besitzers angepaßt war. Es lieferte die Luxusartikel, die über die notwendigen Produkte der täglichen Ernährung hinausgingen und daher den wohlhabenden Persönlichkeiten vorbehalten waren. Im heutigen Sinne könnte man ihn als reinen Nutzgarten bezeichnen, der in erster Linie dem leiblichen Wohlergehen zu dienen hatte.
Daneben entwickelte sich zaghaft auch eine Tendenz zu reiner Ästhetik, was an den Blumen, die keinen direkten Nutzwert aufzuweisen hatten, abzulesen ist. Zwischen oder neben den Gemüse- und Obstbeeten wurden Blumen gepflanzt: es gab Narzissen, Iris, Rosen, Lilien, Malven, Margeriten, Kornblumen, Klatschmohn, Rittersporn. Wie es scheint, ist das der Beginn einer zweiten Linie in Bezug auf die Naturauffassung. Bei einzelnen, bestimmten Teilen der Natur, in diesem Falle den Blumen, steht nicht das Unvollkommene im Vordergrund der Betrachtung, sondern das Vollkommene: Die zarte Schönheit, die zwar auch gehegt und gepflegt werden muss, die aber so genommen wird wie sie die Natur hervorgebracht hat. Im Gegensatz zu den Nutzpflanzen hat das, was in den Blumen an reiner Schönheit gesucht wird, weniger mit tatkräftigem Bebauen der Erde zu tun, sondern eher mit einem Gefühl der Hingabe an die edle Seite der Natur. Nicht umsonst haben Pflanzen wie die Lilie oder die Rose Symbolcharakter erlangt.
Diese zweite Linie in der Gartenkultur zieht sich durch die nachfolgenden Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch, und wird erst in der heutigen Zeit zu einer selbständigen Kraft. Wir mussten erst die Natur Stück um Stück zerstören, die Atmosphäre, Böden und Gewässer vergiften, Tier- und Pflanzenarten ausrotten aus Unvernunft und Machtgier, um der Natur einen Wert zuzuerkennen, der unabhängig von einem mehr oder weniger großen Nutzen für uns Menschen ist.
Neben diesen beiden Linien – Nutzgarten und Ziergarten, quasi als drittes Element der Naturbetrachtung, kann man den Baumkult anordnen. Bäume wurden religiös verehrt. Im Zusammenhang mit Tempelanlagen wurden Baumhaine gepflanzt. Die einzelnen Bäume waren immer geometrisch angeordnet, was wieder darauf schließen lässt, dass man sich durch ein bestimmtes Ordnungsprinzip von der ungeordneten Natur abgrenzen wollte. Da ein Baum die Lebenserwartung eines Menschen bei weitem übertrifft, liegt seine symbolträchtige Anschauung und Verehrung als Sinnbild des Lebens und der Dauer auf der Hand. In Assyrien erlangte der Baumkult eine hohe Blüte. Paläste und Tempel wurden auf Hügeln errichtet und reihenweise mit Bäumen bepflanzt. Bekannt sind die hängenden Gärten von Babylon, unter Nebukadnezar II. erbaut: mit Bäumen bepflanzte, künstlich gedichtete Dachgärten.
Alle diese Zivilisationen entwickelten sich in sommertrockenen, heißen Klimaräumen, weshalb den Bäumen immer auch eine Rolle als Schattenspender zukam. Trotzdem darf man die Verwendung von Bäumen nicht allein aus diesem profanen Blickwinkel betrachten. Der antike Mensch war noch überzeugt davon, dass die Welt um ihn herum beseelt ist. Bäume waren nach dieser Anschauung die Wohnstatt oder sogar die Offenbarung von besonders ehrwürdigen Geistern. In Bezug auf den Garten im weitesten Sinne darf man wohl davon ausgehen, dass die Baumverehrung die älteste der drei Linien war und im Laufe der Zeit an Bedeutung mehr und mehr abnahm, wogegen die anderen beiden immer größere Bedeutung erlangten und gleichzeitig immer beziehungsloser nebeneinander standen. In unserem Kulturkreis fand das letzte große Ereignis im Zusammenhang mit der Baumverehrung im Jahre 723 statt, als Bonifatius die dem Donar geweihte Eiche bei Fritzlar fällte, um den heidnischen Germanen die größere Macht des christlichen Gottes zu beweisen. Die Fällung hatte Erfolg und führte zur Ausbreitung des christlichen Bekenntnisses im damaligen Frankenreich. Die Gerichtslinden, unter denen im Mittelalter das Dorfgericht, das sog. Thing, abgehalten wurde, sind wohl mehr Relikte aus der germanischen Tradition und haben nicht mehr die herausragende religiöse Bedeutung.
Die Dekadenz des Baumkultes kann man bisweilen auch heute noch sehr deutlich beobachten. In vorwiegend waldreichen Gegenden wie dem Bayrischen Wald hat ein Baum als Einzelexemplar kaum einen Wert, außer dem Nutzwert, der beim Verkauf als Bauholz oder Brennholz zu erzielen ist. Städter dagegen sind in dieser Hinsicht schon wieder weiter, weil sie das Defizit an grüner Umgebung intensiver erleben. Sie sind eher geneigt, einen alten Baum auf einem Baugrundstück zu erhalten, auch wenn er beim Bau des Hauses oder der Gestaltung des Gartens Probleme bereitet. Mir wurde das einmal auf einer Baustelle recht plastisch vor Augen geführt, als eine große Linde (ca. 30 bis 50 Jahre alt) vor einem Haus die Pflasterarbeiten behinderte. Der ehemalige Eigentümer hatte die Linde zu einer Zeit gepflanzt, als Pflaster noch kein Thema war. Die Hofflächen waren i.d.R. bekiest und boten dem Wurzelsystem von Bäumen genügend Raum. Heute müssen diese Flächen sauber und belastbar sein, was eine Pflasterung unumgänglich macht. Wenn die Pflasterfläche gewisse Anforderungen an Standfestigkeit und Dauerhaftigkeit erfüllen soll, muss ein stabiler Unterbau aus Kies oder Schotter vorhanden sein. Das geht jetzt aber zu Lasten des Baumes. Während man sich früher mit einer 10 oder 20 cm dicken Kiesschicht zufrieden gegeben hat, muss die Dicke für heutige Ansprüche 60 cm betragen. Zusammen mit dem Pflaster sind das dann 70 cm, die erst einmal ausgekoffert werden müssen, um die erforderlichen Flächen herzustellen. In diesem Bereich hat aber der Baum einen Großteil seines Wurzelwerkes, das bei den Bauarbeiten unweigerlich verloren geht. In einer solchen Situation muss man abwägen, was wichtiger ist: der Baum oder das Pflaster. Ist es der Baum, darf man es mit den technischen Vorschriften für die Standfestigkeit von Tragschichten nicht so genau nehmen. Ist es das Pflaster, ist es ehrlicher, den Baum zu fällen und einen neuen zu pflanzen, als ihn einem jahrelangen Dahinsiechen zu überlassen, weil er den Wurzelverlust kaum überleben wird. Egal, wie man sich entscheidet: Man sollte sich über die Zusammenhänge bewusst sein. Ein gedankenloses Fällen, weil der Baum im Weg ist, ist ebenso falsch wie ein Erhalten um jeden Preis, das die Lebensdauer letztendlich nur marginal verlängert. Das Interessante an diesem Fall war die unterschiedliche Einstellung der Beteiligten. Während der Bauarbeiter aus dem Bayrischen Wald nicht einmal im Ansatz verstanden hat, warum jemand gerade an diesem Baum soviel gelegen ist, noch dazu, wo es auf dem Grundstück noch genügend andere Bäume gab, reichte es dem Architekten völlig aus, dass der Baum nach Abschluss der Bauarbeiten noch an der gleichen Stelle stand. Im Grunde hatten beide kein Verständnis für die Lebensbedürfnisse des Baumes - für beide stellte er nur ein mehr oder weniger totes, wenn auch grünes Objekt dar, das sich den menschlichen Zielen unterordnen muss. Mit einer ausschließlich schwärmerischen Einstellung, die sich nicht in die Niederungen der Realität herablassen will, ist noch kein wirklicher Fortschritt erzielt. Zum Verständnis gehört eben auch die Bereitschaft, sich mit den Lebensbedürfnissen eines lebenden Wesens auseinander zu setzen.
Bleibt festzuhalten, dass der Garten in seinen Ursprüngen zwar aus der Natur abgeleitet wurde, dass seine Anlage und Ausstattung aber nur aus der Polarität zwischen wilder, ungebändigter und deshalb unedler Natur und veredelter, in Kultur genommener Natur verstanden werden kann. Auch in den alten Zeiten war die Natur kein einheitliches Wesen; es wurden immer mehrere Aspekte unterschieden. In der geschichtlichen Aufarbeitung kann man drei Linien deutlich herausfiltern, die nebeneinander existierten und sich auch gegenseitig durchdrungen haben. Je nach der Art des Empfindens stand der eine oder andere Aspekt im Vordergrund. Für die weiteren Betrachtungen sind die drei Aspekte immer wieder von Bedeutung, weshalb man sie sich noch einmal deutlich vergegenwärtigen sollte:
- in der wilden Natur ist alles repräsentiert, was existenzbedrohend ist und gegen das man sich zur Wehr setzen muss: wilde Tiere, Schädlingsinvasionen, Unwetter und Dürre. Hier herrscht das Recht des Stärkeren: wer zu schwach ist, geht zugrunde. Durch die Kultivierung der Landschaft, durch Züchtung und Auslese nimmt der sesshaft gewordene Mensch den Kampf auf mit den Naturgewalten. Die einseitige Fixierung auf diesen Aspekt des Naturverständnisses mündet in der darwinistischen Auffassung des "Survival of the fittest". Im Bewusstsein des antiken, bzw. des vorantiken Menschen war die wilde Natur viel eher noch die dämonische Natur. Der Kampf gegen diesen Aspekt der Natur ist viel leichter verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass dieser Kampf nicht gegen irgend ein abstraktes Gebilde geführt wurde, sondern gegen real empfundene Wesen dunkler Mächte.
- dem entgegen steht die edle Seite der Natur. Das ist die, die Geborgenheit und Schutz vermittelt. Die die milde Wärme spendet, die gleichmäßigen und ausreichenden Regen liefert, damit die Nahrungspflanzen wachsen und gedeihen können. Die Baumaterial zur Verfügung stellt und Pferdestärken in Form von Nutztieren, die dem Menschen die Arbeit der Kultivierung erleichtern. Das ist die dienende Seite der Natur, die sorgende, was in alten Mythen als Mutter Erde bezeichnet wurde. Das ist auch die liebliche, die schöne Natur, wo letztendlich auch die Liebe ihren Ursprung hat. Sie repräsentiert gerade das Prinzip des opferbereiten Füreinander da sein, im Gegensatz zum Hauen und Stechen der anderen Seite. Im Garten findet diese Linie am ehesten ihren Ausdruck. Der Mensch versucht, das wilde Element von seiner unmittelbaren Umgebung fern zu halten, sei es durch äußere Mauern, durch Bewässerung, durch Bodenbearbeitung mit regelmäßigen pflegenden Eingriffen, durch Züchtung und Auslese. Vielleicht kommt sogar hier bereits die Sehnsucht nach einer Rückkehr in das verlorene Paradies zum Ausdruck: Der Garten als Ort des Einsseins mit den Urkräften der Existenz frei von jeglichem Überlebenskampf, der die Stimmung der Besinnlichkeit immer wieder durchkreuzt.
- dann gibt es noch die dritte Seite, die gewissermaßen über den beiden anderen steht: das ist das ehrwürdige, erhabene in der Natur. In gewissem Sinne die ursprüngliche Schöpferkraft, die sich in der äußeren Welt manifestiert. Dieser Seite durfte sich der Mensch nur mit Ehrfurcht nähern, sie war seinem Einfluss entzogen; zumindest bis zu der Zeit, als wir den Gott aus der Natur gründlich ausgetrieben haben. Sie beinhaltet die beiden anderen Elemente, ist aber weder feindlich noch freundlich, weil sie mit menschlichem Maß nicht mehr zu erfassen und mit menschlichen Begriffen nicht zu beschreiben ist.
Diese drei Linien ziehen sich durch die gesamte Kulturgeschichte
Griechenland
Es gibt nur wenige Hinweise auf Gärten im alten Griechenland. Auch dort waren die Gärten von Hecken oder Mauern umgeben und im Innern als reine Nutzgärten bearbeitet. Angebaut wurden Äpfel, Feigen, Oliven, Wein und natürlich Gemüse. Homer beschreibt ausführlich die Fruchtbäume – Kräuter und Blumen werden nur pauschal erwähnt. Häufiger als Gärten werden dagegen Baumhaine beschrieben, mit kleinen Tempeln, Grabmälern oder Altären, die meist im Umfeld einer als heilig empfundenen Quelle zu finden waren.
Im Umfeld der Haine wurden später die Gymnasien errichtet – Sportanlagen mit üppigen Baumpflanzungen oder Alleen. Da die Gymnasien auch als öffentlicher Versammlungsort genutzt wurden, entstand hier der erste Lustgarten im modernen Sinn (nach Gothein). Hier spiegelt sich auch die Wandlung in der Bedeutung des Menschen im Weltbild der damaligen Zeit. Die sich etablierende Demokratie fand ihre Ausdrucksform in den profanen Plätzen, die sich abseits der Tempelanlagen bildeten.
Rom und Mittelalter
In der römischen Gesellschaft verschafft sich das Bürgertum Geltung. Der einzelne Mensch, sofern er den Status eines römischen Bürgers hatte, war nicht mehr nur Teil des Staates, sondern bekam individuelle Rechte zugesprochen. Dementsprechend wandelte sich auch der Garten zum ganz persönlichen Raum im Freien. Der Garten wird jetzt Bestandteil des Hauses und verliert die letzte Beziehung zur Natur. Die Hauptform des Gartens wurde das Atrium mit Wasserbecken, Springbrunnen oder Kaskaden. Pflanzen kamen v.a. als Bäume zur Verwendung. Die ehemalige, beinahe religiöse Verehrung der Bäume war aber mitlerweile ganz zum Erliegen gekommen. In den Bäumen und damit auch in den Pflanzen allgemein wurde eher der Nutzwert gesehen. Die Bäume im Atrium waren daher reine Schattenspender gegen die Hitze in der dicht bebauten Stadt.
Mit dem Verfall des römischen Reiches im Verlauf der Völkerwanderung im 5. Jahrhundert ging auch die römische Gartenkultur zu Ende. Nur in Spanien wurde durch die arabische Herrschaft die Gartenkultur gepflegt. In Mitteleuropa dagegen dauert es Jahrhunderte, bis der Garten in den geschichtlichen Überlieferungen wieder erwähnt wird. Ein bedeutendes Zeugnis ist das Capitulare de villes von Karl dem Großen im 9. Jahrhundert. Es enthält Anweisungen für die Bewirtschaftung der königlichen Landgüter in Bezug auf Gärtnerei, Viehzucht, Waldwirtschaft und Fischweiher. Der Garten wird jetzt endgültig zum reinen Nutzgarten. Interesse findet nur das, was den Menschen in irgendeiner Weise nützt. Verschwunden sind die Überlegungen zur Veredelung der Natur, zur reinen Ästhetik oder gar der religiösen Verehrung. Auch in den Gärten der Klöster, die ja im Mittelalter die hauptsächlichen Kulturträger waren, stand der Nutzen im Vordergrund. Angebaut wurde v.a. Obst und Gemüse, daneben aber auch Heilpflanzen. Die Kräuter der Hildegard von Bingen sind auch heute noch ein Begriff.
Die Kreuzgänge der Klöster liefern wieder ein anschauliches Beispiel für das Verhältnis der führenden Menschen zur Natur: es gab keines. Die Bepflanzung in den Kreuzgängen beschränkte sich auf Rasen und Efeu. Das ist nur noch grüne Tünche. Rasen und in ähnlicher Weise das immergrüne Efeu sind rein vegetative Pflanzenzusammenstellungen: sie leben zwar, aber die Dynamik zwischen Wachstum, Blüte, Samenbildung kommt beim Rasen ganz zum Erliegen; beim Efeu ist sie zwar noch vorhanden, wird aber höchstens unterschwellig wahrgenommen.
Kaum anders sah es bei den Burgen aus: Die Gärten waren Wohnungen im Freien zum Speisen, Spielen und Baden und bestanden vorwiegend aus Rasen oder bestenfalls Wiesen. Vereinzelt gab es Bäume, oft als Obstbäume, und Rosen als Sinnbild für die vollkommene Schönheit. So verschaffte sich die Linie der reinen Ästhetik im Verborgenen immer wieder eine Bedeutung, obwohl sie sich andererseits immer dem Diktat der Nutzenorientiertheit unterordnen musste.
Renaissance

von Dnalor 01 - Eigenes Werk.
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Mit der Renaissance kam ein frischer Wind in alle Lebensbereiche. Die Entdeckung, dass die Erde keinesweg die flache Scheibe im Mittelpunkt des Himmelsgewölbes ist, bewirkte einen Bruch mit alten Traditionen und Anschauungen. Viele Menschen bekamen es mit der Angst zu tun, weil sie einen wichtigen Halt verloren. Die Mittelpunktstellung der Erde und damit des Menschen im Schöpfungsgefüge bedeutete auch Geborgenheit in der göttlichen Allmacht, die nun immer stärker von Auflösungserscheinungen gefährdet schien. So ist es nicht verwunderlich, dass die neuen Erkenntnisse keineswegs ungeteilten Beifall erhielten.
Für die führende Schicht der Gesellschaft, die nach und nach durch Kaufleute und Händler eingenommen wurde, bedeutete die neue Weltanschauung aber einen großen Schritt in die Freiheit. Unter diesem Vorzeichen entwickelte sich dann auch die zeitgenössische Gartenkultur weiter. Die geschlossenen Räume der Burgen, Klöster und engen Innenstädte mit ihren Lauben und Pergolen wichen der Hinwendung an die Außenwelt. In Italien, wo die neuen Gedanken ihren Ausgangspunkt hatten, entstanden Villengärten mit Aussicht in die Landschaft. Meist waren es Hanggrundstücke mit der Villa im oberen Bereich, an die sich unten eine große Terrasse angliederte. Im weiteren Verlauf folgten terrassierte Ebenen, die durch gewaltigen Treppenanlagen miteinander verbunden wurden. Am Ende der untersten Ebene bildete oft eine hohe Stützmauer ein Bollwerk zur Landschaft.
Die Treppenanlagen waren eine Neuschöpfung der Renaissance: ehemals unwegsames Gelände wurde für den Besitzer erschlossen. Es war gewissermaßen die Fortsetzung der Architektur der Gebäude ins Freie. Folgerichtig waren damit auch die Architekten für die Anlage des Gartens zuständig. Es entstanden technische Meisterwerke, die kaum einen Bezug zur Natur hatten.
Auch Wasser wurde in technischer Perfektion eingesetzt: neben ruhenden Wasserflächen gab es Speier, Springbrunnen, Fontänen, feine Wasserstrahlen oder dichte Schleier, und beeindruckende Kaskaden als Begleitung der Treppen.
Der reichhaltige Skulpturenschmuck orientierte sich an naturmythologischen Motiven der Antike, ähnlilch wie die Grotten, die immer als Nischen in Mauern integriert wurden oder davon losgelöst als künstliche Grottenhäuser gebaut wurden. Da die Realität der Götter und Naturgeister aber schon lange geschwunden war, kann das alles nur noch als Staffage betrachtet werden, ohne weltanschaulichen Inhalt. Vielleicht war ja auch noch eine gewisse Sehnsucht nach den alten Werten vorhanden, wie ja v.a. die griechische Antike gerade damals in hohem Ansehen stand. Man hatte sich zwar eine neue Gedankenfreiheit erobert, aber man blickte ins Leere. Wohin diese Freiheit führen würde, konnte niemand wissen. So blieb ein Halt in den alten Traditionen, denen man in den Gärten ein Denkmal setzte. Mag mag also Parallelen finden zwischen antiken und modernen Elementen der Gartenkultur – der große Unterschied besteht darin, dass die modernen Elemente ihres ehemaligen Inhaltes beraubt sind und nur noch äußerer Schein sind. Es ist, als ob in den modernen Skulpturen und Grotten nur noch eine dunkel gefühlte Erinnerung an alte Zeiten zum Ausdruck kommt, die aber das Bewußtsein der damaligen Menschen nicht mehr erreichen kann.
Wie sich der Mensch Zug um Zug von der göttlilchen Allmacht frei machte, entwickelte er sich immer mehr selbst zum Herrscher über die Natur. Am deutlichsten ist das an den Terrassen abzulesen. Die sog. Parterres waren von geometrisch geformten Beeten bestimmt, die durch Lavendel, Thymian oder Buchs eingefasst waren. In ihrem Innern "wuchsen" geschnittene Buchsfiguren, wo der formende menschliche Wille die Pflanze bestimmte. Diese Parterres lagen oft zwischen erhöhten Promenaden und waren nur zum Betrachten gedacht: Ausdruck menschlischer Machtdemonstration, wie ein großes Gemälde, in der keine Pflanze eine ihr eigene Schönheit entfalten durfte. Es hätte keinen großen Schritt in eine völlig neue Richtung bedeutet, beispielsweise den Lavendel durch blaue Steine zu ersetzen.
Aus diesem Blickwinkel gewinnt auch die Lage der Villen am Hang mit Aussicht in die Landschaft eine veränderte Dimension: die neue Freiheit und Weltoffenheit genoss der neue Machthaber wie von einem Thron, den er sich über der Landschaft errichtet hatte.
Barock

par Gilles Messian — Flickr: Parc du Château de Versailles - Les Jardins.
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Was in der Renaissance begann, kulminierte in den barocken Prunkanlagen. Die Gartenanlage wurde nun ebenso wie das dazugehörige Schloss Ausdruck von absolutistischer Macht und Repräsentation. Das Paradebeispiel ist der Park von Versailles, der in seinen Ausmaßen einzigartig ist. Während in der Renaissance das menschliche Maß noch Geltung hatte – alle Bereiche der Anlage sind ohne weiteres zu Fuß zu erreichen – sind die Dimensionen der barocken Anlage auf die Pferdekutschen abgestimmt.
Es braucht kaum erwähnt zu werden, dass auch hier die geometrischen Formen bestimmend sind. Gerade Alleen und Kanäle, streng geschnittene Hecken und rechtwinklige Beete im Parterre am Schloss – jede natürlich-organische Form wird ausgemerzt. Das ging dann sogar soweit, dass die Allebäume in Form geschnitten wurden. Kastenlinden und Hochhecken sind eine Erfindung der absolutistischen Weltanschauung. Günter Mader fasst die zugrunde liegenden Ideen wie folgt zusammen:
"Der italienische Garten öffnete zwar den Blick in die Landschaft, blieb aber durch Hecken und Mauern von ihr deutlich abgegrenzt. Der Barockgarten versuchte diese Grenzen aufzuheben und wollte grenzenlos sein. Die Landschaft wurde, soweit das Auge reicht, einbezogen und dem Gestaltungsplan des Gartens unterworfen. Endlos lang erscheinende Alleen und geradlinige Schneisen in den Wäldern führten bis zum Horizont. Die architektonische Ordnung wurde ins Unermessliche gesteigert. Während der Renaissancegarten ein beschaulicher Ort der Kontemplation war, wo man in kleinem Kreise zusammentraf, war der Barockgarten eine riesige Inszenierung und bildete den Rahmen für die glanzvollen Feste der höfischen Gesellschaft. Der Garten war Zeichen der königlichen und fürstlichen Allmacht, die Darstellung der politischen Macht und die Zurschaustellung der Herrschaft über die Natur. Der Renaissancegarten verkörperte den Geist des Humanismus, der Barockgarten hingegen den Geist des Absolutismus."
Eine Vorstellung von den Ausmaßen der Versailler Anlage vermitteln die nüchternen Zahlen: die Entfernung vom Schloss bis zum Beginn des Kanals, bestimmt von den Parterres und Bosketts, betrug 1000 m. Der anschließende Kanal hatte eine Länge von 1560 m und eine Breite von 120 m, der Querarm war wiederum 1000 m lang.
Landschaftsgarten

von Hafenbar aus der deutschsprachigen Wikipedia.
Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons
Bereits in der Spätzeit des Barock und danach im Rokoko fand eine Abkehr von den übermäßig repräsentativ ausgerichteten und alle Dimensionen sprengenden Anlagen statt. Die geometrische Ordnung wurde zwar noch beibehalten, daneben entwickelten sich aber mehr intime und individuelle Tendenzen.
Im Landschaftsgarten, der von England ausging, fällt dann auch die geometrische Ordnung. Der Mensch betreibt nun nicht mehr die Herrschaft über die Natur, sondern sucht wieder Anschluss zu finden an das, was er als natürlich empfindet. Die Vorbilder kommen aus der Landschaftsmalerei, der Dichtung und der Philosophie mit dem bekannten Schlagwort Rousseaus: "Zurück zur Natur!" Man kann dem Landschaftsgarten nur gerecht werden, wenn man ihn im Zusammenhang mit dem umfassenden Weltbild der Aufklärung versteht. Während in der Renaissance die Befreiung von alten Zwängen gefeiert wurde, und im Absolutismus die Freiheit von den herrschenden Mächten vereinnahmt wurde, wollte man jetzt ein Verständnis für die Stellung des Menschen im großen Gefüge der Natur gewinnen. Man begriff zwar plötzlich die Naturgesetze, aber welche Stellung man jetzt selbst innerhalb diesem Gefüge einnahm, darüber war man sich noch lange nicht im Klaren. Man wehrte sich dagegen, den Einfluss göttlicher Mächte in die Natur vollständig zu verleugnen. Es war noch zu früh für ein rein verstandesgemäßes Erfassen der Natur mit allen Lebensprozessen und Zusammenhängen, wie das erst im 20. Jahrhundert mit der Ökologie versucht wurde. So musste man sich bescheiden mit einem romantisch verklärten Blick auf die Natur. Es ist bezeichnend, dass man nicht die wilde und ungezähmte Natur vor Augen hatte, sondern die durch die jahrhunderte lange Bewirtschaftung geprägte Kulturlandschaft, wo durch Beweidung und extensive Bewirtschaftung ausgedehnte offene Wiesenflächen entstanden sind, unterbrochen von beschaulichen Flüssen und Seen, Wäldern und Gehölzbeständen oder Hecken, die dem Relief der Landschaft angelehnt waren und nicht wie heute von der Maschinenleistung des Schleppers bestimmt werden.
Obwohl die Dampfmaschine erst 1769 erfunden werden sollte und mit ihr das Industriezeitalter richtig in Schwung kam, war man gedanklich schon so weit fortgeschritten, dass die Anschauungsweise, die in der Natur das vorwiegend Bedrohliche sah, im Schwinden begriffen war. In der Realität wurde der Kampf allerdings umso intensiver fortgesetzt:
Noch 1717 kamen bei der Weihnachtssturmflut an der Nordsee 8000 Menschen um, zwischen 1595 und 1737 kam es an der Oder sechzehnmal zu schweren Überschwemmungen, die Städte unter Wasser setzten und den Viehbestand und die Ernten vernichteten. Aus Mangel an Trinkwasser erkrankten bei einer schweren Überschwemmung am Rhein 1736 1500 Menschen an der Ruhr und anderen Infektionen, von denen 170 starben. Durch die sog. "Kleine Eiszeit" zwischen 1550 und 1850 stieg generell der Wasserspiegel der Flüsse und es kam häufiger zu Überschwemmungen. Besonders gravierend war die Lage gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als beinahe jedes Jahr ein schweres Hochwasser brachte. Dabei ging die Gefahr nicht nur von dem hohen Wasserstand bei Überschwemmungen aus, sondern ebenso von der ungebändigten Dynamik der Flüsse, die durch die Mäandrierung ufernahen Siedlungen regelrecht den Boden entzogen. Eine andere Gefahr für die Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung ging von wilden Tieren aus. Bär, Luchs und Wolf konnten sich während der Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges stark vermehren und bedrohten den Nutzviehbestand. In Preußen wurden beispielsweise allein im Jahr 1700 4300 Wölfe, 229 Luchse und 147 Bären erlegt. (Blackbourn)
Erst Mitte des 18. Jahrhunderts ließ Friedrich II. die Oderbrüche trockenlegen, um Sicherheit vor dem Fluss zu gewährleisten und Land für die wachsende Bevölkerung zu schaffen. Der Oberrhein wurde noch später, zwischen Anfang und Mitte des 19. Jahrhunderts reguliert und eingedeicht. Erst nach diesen Maßnahmen war die Malaria in Deutschland keine Gefahr mehr. Es gab damals schon warnende Stimmen, die in einer Begradigung der Flüsse die Gefahr eines viel zu schnellen Abflusses sahen und damit verbundene neue, größere Gefahren, beispielsweise bei einem Bruch der Deiche. Da aber durch Untätigkeit und Verklärung der wilden, ungebändigten Natur keine Probleme gelöst wurden, gab es aus der Sicht der damaligen Zeit keine Alternative zu den durchgeführten Maßnahmen.
In dieser vom Menschen geschaffenen Kulturlandschaft war das alt-antike Ideal, die wilde und feindliche Natur zu zähmen, greifbar nahe. Nur in der Kulturlandschaft hat der Mensch einen (relativ) sicheren Platz, wogegen die Kultur durch die wilde Natur immer bedroht ist. Schon das Alte Testament macht einen Unterschied zwischen dem Garten (Eden), wo der Mensch in paradiesischer Sicherheit leben durfte, und der Wildnis, in die er nach dem Sündenfall verbannt wurde.
Parallel zu den Landgewinnungsmaßnahmen entwickelte sich ein neues Bewusstsein vom Wert der Natur. Man übersah keineswegs, dass mit dem neu gewonnenen Kulturland eine Verarmung der Wildnis einherging. Nicht nur die Wild- und Fischbestände gingen in den betreffenden Gebieten zurück – die ehemaligen Feuchtgebiete waren "komplexe Ökosysteme, die eine heute fast unvorstellbare Vielfalt von Insekten, Fischen, Vögeln und Säugetieren ernährten. Der von den Jägern angerichtete Schaden fiel langfristig weit weniger ins Gewicht als der Verlust eines Lebensraumes, der die überreichen Mengen und Spezies an Fischen und Krebsen ernährte, die ... im Oderbruch zu finden waren, was diese Gebiete wiederum zur Heimat von Kranichen, Störchen, Kiebitzen, Gänsen und Wildenten machte" (Blackbourn).
In dem Jahrzehnt nach 1770 begann man in Deutschland, die Alpen und die Meeresküsten als letzte vom Menschen unbeeinflusste Naturräume zu entdecken und zu verehren. In der Romantik fand die idealistische Betrachtung der Natur einen Höhepunkt. Novalis klagte 1799, die Philosophie der Aufklärung habe "den Menschen mit Noth oben an gesetzt und die unendliche schöpferische Musik des Weltalls zum einförmigen Klappern einer ungeheuren Mühle gemacht." Doch die Spaltung im Bewusstsein der Menschen war nicht aufzuhalten. Zwischen dem Versuch, die Natur nach rein materialistisch-mechanischen Gesetzmäßigkeiten verstehen zu wollen und der idealistischen Anschauung konnte keine Brücke gebaut werden.
So setzte sich die Spaltung auch im äußeren Raum durch. Dort wo der Mensch keine eigenen Interessen hatte, im Hochgebirge, an der Meeresküste und später – nicht mehr ganz so eindeutig – in den Mittelgebirgen, wurden Naturschutzgebiete und Nationalparke eingerichtet, auf den übrigen Flächen wurde die Landschaft den einzelnen Interessen von Industrie und Landwirtschaft geopfert.
Im Landschaftsgarten kam eine Entwicklung zum Stillstand. Das Bild von der Natur, das man sich, noch an alten Traditionen anhaftend, machte, wurde zu einem Gemälde eingefroren. Der Wechsel zwischen freien Wiesenflächen und Gehölzbeständen wurde künstlerisch durchkonstruiert, mit genau kalkulierten Blickbeziehungen und überraschenden Ausblicken; auch die Fließ- und Stillgewässer bekamen ihre streng definierte, wenngleich natürlich anmutenden Form. Goethe sprach, als er den Wörlitzer Park sah, von der Verwirklichung der Elysischen Felder. (Ein Bezug auf Vergils Aeneis, wo von den elysischen Gefilden als Ort der Seeligen gesprochen wird, die sich jenseits des Todesflusses Styx ausdehnen).
Neuzeit
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging die Zeit des Landschaftsgartens zu Ende. Das Zeitalter der Vernunft, des Rationalismus, hatte kein Verständnis mehr für idealistische Naturverklärung. Der schöpferische Geist, die göttlichen Wirkenskräfte, wurden gründlich aus der Natur verbannt. Weder gute noch böse Götter wurden in den Naturkräften gesehen. Die Natur war gründlich entgeistigt und entgöttlicht. Sie wurde zur Landschaft, in der nur noch eine Vielzahl von verschiedenen Elementen der belebten und unbelebten Natur nebeneinander existieren.
Zudem forderten soziale und gesundheitliche Probleme in den Arbeitersiedlungen nutzbare Grünflächen für jedermann. Überall in den dt. Städten wurden Festungswälle geschleift und in Promenaden für die Bürger umgestaltet. Die Zeit der Gärten und Parks, die nur einer kleinen Oberschicht zugänglich sind, war zu Ende. Das hatte aber auch eine Verflachung der künstlerischen Ambitionen zur Folge. Die neuen Grünanlagen mussten nutzbar sein. Sie mussten frische Luft bieten und Raum für Sport und Erholung. Sie dienten der persönlichen Erbauung für den Einzelnen. Der Englische Garten in München war bereits als ein Landschaftspark geplant, der der Bevölkerung offen stehen sollte.
Die in der Renaissance angestoßene Befreiung von einem einheitlichen, von Tradition geprägten Weltbild setzte sich fort bis zu jeder einzelnen Persönlichkeit. Da es keine allgemein akzeptierte Autorität mehr gibt, sondern nur noch mehr oder weniger umfangreiches Fachwissen, das aber für eine umfassende Weltanschauung, die einen Halt bieten kann, bei weitem nicht ausreicht, ist jeder auf sich allein gestellt. Es liegt im Ermessen des Einzelnen, wie er sich seine Welt zusammenzimmert.
Auch die Gartenkunst zerfällt in verschiedene Richtungen. Immerhin leitet der Landschaftsgarten über zu einer ganzheitlichen Betrachtung des Landschaftsraumes. Ökologische und ökonomische Ziele, agrar-, forst- und wasserwirtschaftliche Zusammenhänge sollen in einer komplexen Planung ineinander fließen. Bereits ab 1833 versuchte Lenné in Potsdam, eine umfassende Landschaftsplanung zu entwickeln, in denen seenartige Erweiterungen der Havel, bewaldete Höhenzüge, Schlösser und Gärten, Alleen und Siedlungen in ein großräumiges Konzept integriert wurden, was die Unesco 1990 zum Weltkulturerbe erhob.
In den Städten wurden Stadtplätze und Volksgärten geschaffen, städtebauliche Entwicklungsplanungen bevorzugen baumbestandene Straßenzüge und Promenaden. In den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts entstanden in Leipzig Familiengärten nach einer Initiative von Dr. Schreber, die sog. Schrebergärten. Grund waren die ungesunden Lebensverhältnisse in den Arbeitervierteln, für die ein Ausgleich in einer Betätigung in der frischen Luft gesucht wurde. Die wohlhabende Bevölkerung dagegen baute sich in den Randlagen der Groß- und Mittelstädte neue Villenviertel, deren Gärten trotz begrenzter Grundstücksfläche einerseits eine repräsentative Wirkung aufweisen sollten, andererseits aber auch zweckmäßig sein sollten: Der Garten als Aushängeschild, bzw. als bloßer Aufenthaltsraum im Freien, der folgerichtig gleich vom Hochbauarchitekten mitgeplant wurde.
Im 20. Jahrhundert hielten Staudenpflanzungen Einzug in die Gärten. In England v.a. durch Gertrude Jekyll, in Deutschland durch Karl Förster propagiert. Hier kämpft sich die ästhetische Linie der Naturbetrachtung wieder ans Licht und hat von da an mal mehr, mal weniger Einfluss auf die Gartengestaltung.
In den 50er und 60er Jahren hat der Hausgarten die Bedeutung des Wohngartens mit Freizeitwert, und wird als Erweiterung der Wohnung verstanden. Zur gleichen Zeit wurde auch wieder versucht, den Garten als Hort der Naturverbundenheit zu sehen und entsprechend zu gestalten. Tonangebend war Otto Valentin, der das Haus durch die Pflanze in den Gesamtorganismus der Natur einbeziehen wollte. In den 70er und 80er Jahren war die große Zeit der Naturgartenbewegung, die zwar mit viel Idealismus einherging, aber dafür umso weniger Verständnis für die wahren Zusammenhänge. Damals waren viele der Meinung, mit einem kleinen Wasserloch im Garten, dem Biotop, einen wichtigen Beitrag für den Naturschutz zu leisten.
Heute jagt eine Mode die andere. Im Garten geht es beinahe so zu wie in der Textilbranche, die am liebsten jedes Jahr den Kleiderschrank komplett ausräumen und neu füllen möchte. Es ist interessant, was bei den unterschiedlichen Wettbewerben als Gewinner hervorgeht. Da gibt es Gärten mit spärlicher bis völlig fehlender Bepflanzung, die nur noch als großes Zimmer im Freien verstanden werden. Man trifft auch wieder oft auf Pflanzen mit Formschnitt, Buchskugeln und –pyramiden, geschnittene Hecken als Sichtschutz oder einfach als geometrische Skulpturen im Rasen, bei denen man den Eindruck hat, der Architekt übernimmt jetzt auch die architektonische Optimierung der Pflanzen. Auch die grüne Leere, gepflegte Rasenflächen mit künstlicher Bewässerung, Düngung und selektivem Herbizideinsatz als Repräsentationsgrün ist v.a. bei Außenanlagen von Firmen immer noch gefragt, obwohl die Klimaerwärmung mit den bekannten Folgen der Niederschlagsreduzierung eigentlich zum Wassersparen auffordern sollte. Bei allen diesen Gestaltungsarten tritt das lebendige Element, die Pflanze, in den Hintergrund. Als Solitär erfüllt sie ähnliche Funktionen wie eine Skulptur, als Blickfang oder als Akzentuierung des Raumes. Bei der gepflegten Rasenfläche, die nur durch hohen technischen Aufwand zu erhalten ist, wird vollends der Sieg über die Natur gefeiert. Nichts mehr, was das Leben in der Natur ausmacht, ist hier noch sichtbar: kein Wachstum, keine Blüte, keine Frucht – nur noch dumpfes grünes Dahinvegetieren als totes Bild des Lebens.
Während bei diesen Gärten kaum noch ein Gedanke an die Natur verschwendet wird, gibt es auf der anderen Seite durchaus wieder Tendenzen, die Natur in idealistischem Sinne wieder zur Geltung zu bringen. Dazu sind z.B. großflächige Staudenpflanzungen zu zählen, wie sie von Piet Oudolf beinahe weltweit gestaltet werden, die allgemein Bewunderung und Anerkennung erregen. In Deutschland sind die derzeit bekanntesten Planer auf diesem Gebiet Petra Pelz und Cassian Schmidt, dem Leiter des Staudensichtungsgarten Hermannshof in Weinheim.
Ebenso wie der eine den Sinn des Lebens vorwiegend im äußeren Genuss sucht, in Wohlstand und Konsum, in Fun und Action, in Urlaub und Reisen, der andere in stiller Einkehr und Kontemplation, der dritte vielleicht in dem Versuch, die goldene Mitte zu finden, drückt der Garten die Lebenseinstellung des Besitzers aus: Welches Verhältnis er hat zu dem, was er als Natur empfindet, darüber kann der Garten manches aussagen. Wenn ich sehe, dass der Zaun aus Edelstahl teurer ist als die komplette Gartenanlage, vermute ich im Vordergrund Besitzwahrung. Die Bepflanzung ist nur Sichtschutz oder einfach allgemeine Anpassung an die Umgebung. Wer geometrische Strenge bevorzugt, auch in den geschnittenen Formgehölzen, hat entweder wenig Selbstbewusstsein und sucht Halt in der äußeren klaren Form, oder aber er möchte eine gewisse Kontrolle über seine Umgebung ausüben. Wo alles chaotisch durcheinanderwächst, vermute ich auch ein gewisses Chaos in der Gefühlswelt des Besitzers. Der Öko-Freak, der keine Sinn für die Schönheit der einzelnen Pflanze hat und den Pflegebedarf, um sie zu erhalten, der nur Lebensraum für bedrohte Tier- oder Pflanzenarten schaffen möchte, hat ein recht einseitiges Verständnis für das Leben in der Natur.
Wenn man für heute eine allgemeine Tendenz in der Gartenkultur ablesen will, wie sie die Avantgarde der Zunft in den gärtnerischen Wettbewerben präsentiert, dann empfinde ich persönlich das etwa in der folgenden Weise: die Natur wird abstrahiert, d.h. einzelne Elemente oder Eigenschaften werden aus dem Zusammenhang losgelöst verwendet, die Verbindung mit der Natur geht dabei verloren. Der Zusammenhang kann nur noch mit dem Verstand erfasst werden. Bestes Beispiel ist Wasser in geometrischen Becken, oft nur mit hauchdünnen Stahleinfassungen, mit der entsprechenden Chemie immer glasklar gehalten, ohne Pflanzen oder gar Tiere. Was in der Natur als lebendige Kraft wirkt, als Bewegung im Fliessen, im Wirbel oder Strudel, als Veränderung in der Form durch Erosion und Ablagerung, als Zerstörung bei Hochwasser, wird ausgeblendet. Es ist nur noch ein totes, abstraktes Bild eines in der Realität umfassenden Geschehens. Es ist ein Spiegelbild unserer Zeit, die den äußeren Schein als einzige Realität anerkennt. Alles andere, was evt. hinter diesem äußeren Schein als verborgene Kraft wirksam ist, wird konsequent geleugnet. Der Verstand als Maß aller Dinge triumphiert über Gefühl und andere seelischen Regungen, die die Wirklichkeit unter der Oberfläche suchen.